Das Klosterhospital der Antoniter in Höchst am Main
Aktualisierung:
Das von Dr. Wolfgang Metternich hier beschriebene Antoniterhospital existierte bis 1980 in der Bolongarostraße 143. Zuletzt ließ der Besitzer das Hospital - einen der schönsten und bedeutendsten Fachwerkbauten von Höchst und das das älteste noch stehende Krankenhaus in Frankfurt am Main - völlig verwahrlosen und riss es dann ab. Übrig geblieben sind nur der Schildgiebel zur Badstubengasse, eine hofseitige Mauer mit Renaissance-Bauschmuck und das spätgotische Fachwerk an der Front.
Ernst-Josef Robiné
In Frankfurt am Main − Höchst steht auf dem Grundstück Bolongarostraße 143, an der alten Hauptstraße der Stadt Höchst am Main ein erkennbar vom akuten Verfall bedrohtes Fachwerkgebäude. Es gehört zum Areal des in der Säkularisation 1803 aufgehobenen Antoniterkonvents in Höchst und diente seit dieser Zeit in den oberen Geschossen Wohnzwecken, während in das Erdgeschoß im Verlauf des 19. Jahrhunderts kleine Läden eingebaut wurden. Das Haus hat trotz der baulichen Veränderungen nach der Aufhebung des Klosters seine alte Substanz und innere Struktur weitgehend bewahrt. Seit einigen Jahren ist es unbewohnt, verwahrlost und durch spekulationsbedingte Interessen des Eigentümers und die Untätigkeit der Behörden zum Untergang verurteilt.
Wenn dieser Fall eintreten sollte, womit bei dem derzeitigen Zustand des Bauwerks zu rechnen ist, gehen unwiederbringlich der älteste Hospitalbau der Stadt Frankfurt am Main, ein einmaliges Denkmal der Hospital- und Medizingeschichte und vor allem, das vermutlich einzige, mit Sicherheit zu identifizierende Hospital des Antoniterordens in Europa zugrunde.
Auf einem Bestandsplan des Klosters von 1805, unmittelbar nach der Aufhebung und noch vor jeder Parzellierung und Umbaumaßnahme gezeichnet, wird das Gebäude als „alter Bau” bezeichnet. Es war zu dieser Zeit mit ca. 32 m an der Straßenfront etwa doppelt so lang wie heute. Der östliche Teil des Bauwerks wurde 1896 zugunsten eines heute noch bestehenden Neubaus, der die alten Trauf- und Dachhöhen völlig ignorierte, abgerissen. Eine Fotografie der Straßenfront vor dieser Zeit dokumentiert den alten Zustand. Die Identifizierung als Hospital ergibt sich aus mehreren sich gegenseitig stützenden Belegen. In der Zeit des Generalpräzeptors Heinrich Meyersbach (1509-1520) berichtet das Diarium der Antoniter, eine erstrangige Quellensammlung zur Geschichte des Antoniterhauses Roßdorf-Höchst, unter dem Jahr 1518: „bauet das Hospital”. Diese Angabe wird durch mehrere dendrochronologische Gutachten gestützt, die übereinstimmend das Fällungsjahr der für den Bau verwendeten Hölzer und damit den vermutlichen Baubeginn für das Jahr 1515 festlegen. Eine Fertigstellung und Nutzung des Gebäudes drei Jahre später paßt in diesen zeitlichen Rahmen. Auch die Datierung des im Plan von 1805 genannten „Neuen Baus” hilft bei der Fixierung der Bauzeit des „Alten Baus”, indem sie einen terminus post quern festlegt. Der ebenfalls noch bestehende „Neue Bau”, heute Bolongarostraße Nr. 137/39, trägt an seinem zum Hof gewandten Erker mit dem Wappen seines Erbauers, des Generaipräzeptors Georg von Lyskirchen (1576-1612), die Jahreszahl 1586.
Die innere Struktur des Hospitals, die auch der Identifizierung des Bauwerks in seiner Funktion weitere Sicherheit gab, wurde in den Jahren 1984 und 1988 erforscht. Im Rahmen dieser Untersuchungen erfolgte im August 1984 eine präzise Bauaufnahme durch eine Arbeitsgruppe der Technischen Hochschule Darmstadt, begleitet von archäologischen Sondierungen, die einen aufsehenerregenden Münzfund aus der Spätzeit des dreißigjährigen Krieges erbrachten. Im Frühjahr 1988 folgte eine ausgedehnte Grabung im Innern des Gebäudes und im südlich anschließenden Hof, die neben der langen, bis ins Frühmittelalter zurückreichenden Vorgeschichte des Anwesens auch überaus wertvolle Ergebnisse zu den Bau- und Umbauphasen des noch jetzt bestehenden Bauwerks ergab. Die dendrochronologische Untersuchung, die Aufmaßpläne und der archäologische Befund ergaben zweifelsfrei, dass es sich bei dem Gebäude um den zwischen 1515 und 1518 errichteten Hospitalbau der Antoniter handelt.
Auf den ersten Blick erscheint diese Behauptung ein wenig kühn, stehen doch angesichts der eingangs gemachten Feststellung, es handele sich hier möglicherweise um das einzige mit Sicherheit zu identifizierende Antoniterhospital in Europa, aus der Ordensbaukunst der Antoniter keine gesicherten Vergleichsbeispiele zur Verfügung. Es ergab jedoch die Bauaufnahme im Erdgeschoß eine große dreischiffige Halle und im Obergeschoß kleine Kammern zu beiden Seiten eines das ganze Haus durchziehenden Flurs. Die Halle wurde bei vermutlich auf 1589 zu datierende Umbaumaßnahmen in einen Saal mit einer einzigen Säule als Mittelstütze umgebaut, was sich auch aus dem Wappen des damals amtierenden Generalpräzeptors Georg von Lyskirchen auf dem Sattelholz über der Säule ergibt. Beide Raumtypen, die dreischiffige Halle und der Saal mit zentraler Stütze, können, ausgehend von der klaren urkundlichen Bezeichnung des Bauwerks als Hospital, nach ihrer Raumform als Krankensaal angesprochen werden. Es kann jedoch im Folgenden wahrscheinlich gemacht werden, dass der dreischiffige Saal als der eigentliche Krankensaal anzusprechen ist, während der Umbau von 1589 eine Folge der Aufgabe des Krankendienstes im Höchster Antoniterhaus ist.
Bevor jedoch weiter über den Hospitalbau der Antoniter in Höchst zu sprechen ist, müssen einige das gesamte Kloster betreffende Fragen angesprochen werden. Als die Antoniter 1441 mit ihrem Konvent von Roßdorf bei Hanau nach Höchst übersiedelten, erhielten sie vom Mainzer Erzbischof neben ausgedehnten Ländereien auch Liegenschaften innerhalb der Stadt. Zu diesen gehörte die Justinuskirche mit dem vermutlich unmittelbar östlich gelegenen Pfarrgut und das ehemalige Benediktinerkloster der Mönche von St. Alban westlich der Kirche. Letzteres war wohl kaum mehr als ein großer Gutshof. Außerdem erhielten sie den Baumannshof, ein stattliches Gebäude auf dem Areal des späteren Hospitals. Hinzu kam noch das Vorkaufsrecht für sechs um die Kirche herumliegende Privathäuser, das die Antoniter jedoch nicht auszuüben vermochten. Der Konvent wuchs in Höchst von neun auf fünfzehn Chorherren an, insgesamt dürften zwischen 1450 und 1520 mindestens fünfzig bis sechzig Personen − Konventuale, Kranke, Pfründner und zahlreiches Gesinde − dauernde Unterkunft im Kloster gefunden haben. In den ersten Jahren muss es, ungeachtet des stattlichen Baumannshofes, für die noch anwachsende Klostergemeinschaft sehr eng gewesen sein. Doch der Ausbau der Kirche ging vor. Erst als deren Umbau gegen 1464 vollendet war und die dadurch erheblich angewachsene Schuldenlast von 3927 fl. vermindert war, konnte man an den Neubau von Konventsgebäude und Hospital denken. Dies war offensichtlich erst um 1515 der Fall.
Wenn aber der erst 1586 errichtete „neue Bau” noch nicht vollendet war, der Baumannshof jedoch nicht mehr bestand, wo wohnte dann nach der Fertigstellung des Hospitalbaus 1518 der Konvent? Während der Bauzeit ab 1515 mochte man sich notdürftig beholfen haben. Es ist jedoch nicht vorstellbar, dass die vornehmen Chorherren in einem der reichsten Antoniterkonvente Deutschlands dieses Provisorium bis 1586 hinnehmen mochten. Die Antwort geben Pläne, die erst vor zwei Jahren im Bestand des Hochbauamtes der Stadt Frankfurt am Main im Höchster Bolongaropalast aufgefunden wurden.
Im Jahr 1896 wurde, wie erwähnt, die östliche Hälfte des in diesem Beitrag bislang als Hospital angesprochenen Gebäudes niedergelegt und an seiner Stelle das die älteren Bauten hoch überragende Wohn- und Geschäftshaus mit der für diese Zeit typischen Klinkerfassade errichtet. Über den vorhergehenden Zustand unterrichtet zwar eine Fotografie, doch ist diese von nur geringer Aussagekraft: Eine verputzte Fassade zu zwei Vollgeschossen, von denen das obere wie im westlichen Teil leicht zur Straße hin vorkragt, dazu annähernd gleiche Trauf- und Firsthöhen, wie bei den benachbarten Häusern. Im Erdgeschoß ist eine große Türöffnung zu erkennen, die in einem Lageplan von 1896 als „Durchfahrt” ausgewiesen ist. Unter dem Putz konnte nach dem Befund am erhaltenen Westteil im 1. Obergeschoß Fachwerk angenommen werden, im Übrigen war über die Rückseite oder gar die innere Einteilung des Bauwerks keine Klarheit zu gewinnen. Mehrere Lagepläne aus der Zeit vor 1896 weisen in ihrer Beschriftung den Bau als Wohnhaus aus, dem an der Rückseite, besonders entlang des Restes der schon im 15. Jahrhundert aufgelassenen Stadtmauer Schuppen und andere, nicht als Wohnraum gedachte Anbauten angefügt waren. Der Klosterplan von 1805 verweist deren Entstehung in die Zeit nach der Aufhebung des Klosters in der Säkularisation von 1803. Zugleich zeigt er an der Südostseite des Hauses im Grundriss einen erkerartigen Anbau, fast wie den 5/8-Schluß einer Kapelle, der offenkundig mit seiner Ostmauer auf der aufgelassenen Stadtmauer aufsitzt.
Die nun bei der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Frankfurt am Main aufgefundenen Pläne vom Vorgängerbau des 1896 errichteten Wohn- und Geschäftshauses Bolongarostraße 141 vermögen die oben aufgezeigten Wissenslücken um das ältere Gebäude an dieser Stelle hinreichend zu schließen. Es handelt sich um drei Grundrisse − Parterre, Erster Stock und Dachstock und einen Querschnitt in nord-südlicher Richtung. Obgleich alle Räume einzeln mit den Fenstern und den Feuerstellen aufgeführt sind, haben die Pläne einen etwas summarischen Charakter. Von einer präzisen Bauaufnahme kann keine Rede sein. Zwar ist den Plänen ein Maßstab beigegeben, aber genaue Details wie Wandstärken oder die Teilung der Fenster kann man ihnen nicht entnehmen. Das zeigt sich am besten in den beiden Obergeschossen. Erster Stock und Dachstock ähneln sich bis auf einen südwärts gerichteten Flur an der Westwand und eine geringfügig veränderte Raumaufteilung mit unterschiedlicher Kaminstellung an der Straßenseite ganz, wobei im Dachstock der Einfluss der Dachschräge auf den Zuschnitt der Räume aus dem Plan nicht zu erkennen ist. Es war aber auch nicht die Aufgabe dieser Pläne, uns ein genaues Aufmaß zu überliefern. Sie sollten lediglich vor dem Abriss des Hauses das Bauvolumen und die Aufteilung der Wohnfläche im Inneren dokumentieren. Dennoch sind sie ungemein aufschlussreich und lassen eine zuverlässige Rekonstruktion des gesamten 1518 errichteten Gebäudes zu.
Zunächst zum Erdgeschoß. Hier fällt zuerst die im Lageplan von 1896 und auf dem Foto erkennbare Durchfahrt ins Auge. An ihrer Ostseite liegen drei kleine Räume, von denen nur der mittlere durch eine große und der südliche durch eine kleine Tür von der Durchfahrt her zu betreten sind. Der nördliche, straßenseitige Raum kann nur vom Mittelraum her betreten werden. An der Westseite der Durchfahrt liegen sechs zum Teil größere Räume, die alle, ohne einen vermittelnden Flur, nur durch zwei Türen in den an der Durchfahrt liegenden Räumen erschlossen werden. Es fällt auf, dass von allen diesen Räumen nur einer beheizbar zu sein gewesen scheint. Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem an der Südostseite sitzenden Treppenturm. Er ist außen achteckig, innen rund. Man erkennt in ihm den kapellenartigen 5/8-Erker im Plan von 1805 wieder. Seine Ostwand setzt die schräge Giebelwand des Hauses auf dieser Seite fort, so wie er auch in die Südwand des Gebäudes einbindet. Die einzige Tür in dem Treppenturm öffnet sich nach Westen zum Hof. Im Erdgeschoß scheinen die Außenmauern, mit Ausnahme der Westseite, wo sich der heute noch stehende Teil des Gebäudes anschließt, mit einer Stärke von ca. 0,80 m massiv gemauert zu sein, während die Innenwände Wandstärken zwischen 0,20 m und 0,30 m haben, was im Einklang mit den Gebräuchen früherer Zeiten auf Fachwerk schließen lässt.
Die beiden Obergeschosse, erster Stock und Dachstock unterscheiden sich in zwei Einzelheiten ganz wesentlich vom Parterre, sind aber untereinander, wie erläutert, weitgehend gleich. Mit Ausnahme der östlichen Giebelwand und des Treppenturms sind nun auch alle Außenwände dünn gezeichnet, was mit Blick auf das Erdgeschoß nicht mehr an massive Steinmauern denken lässt. Außerdem gibt es in beiden Geschossen einen langen Mittelflur, der sich zum Treppenturm in einen geräumigen Vorplatz öffnet und von dem nur im ersten Stock auf der Westseite ein weiterer Flur zum Hof hin abknickt, ohne dass er irgendwelche Räume erschließt. In den Obergeschossen finden sich wesentlich mehr Feuerstellen als im Parterre.
Der Querschnitt bestätigt den bisher gewonnenen Eindruck. Auch hier gibt es massive Außenmauern im Erdgeschoß und im Treppenturm, dünne Wände in den Obergeschossen bis unter das Dach. Es scheint der Mittelflur in den beiden oberen Geschossen zu fehlen.
Offensichtlich wurde jedoch der Schnitt durch die äußere Ostseite des Hauses und durch den Treppenturm gelegt, sodass die dort in der Mitte stehende Wand zwischen straßenseitigem Zimmer und Vorplatz zum Treppenturm den Raum des Mittelflurs in der Planzeichnung einnimmt. Es wird aus dem Querschnitt nicht recht deutlich, ob das Haus einen Keller hatte. Im erhaltenen Westteil gibt es ihn nicht. Im Ostteil scheint in der Mitte unter dem Bogen ein Keller zu liegen. Fußbodenniveaus sind jedoch in allen drei Teilen unter dem Erdgeschoß nicht eingezeichnet. Der in der Mitte erhöhte Fußboden lässt auch an eine einzeln gelegene Eisgrube mit Öffnung zur Durchfahrt denken. Außenmauern und innere Struktur des 1896 abgerissenen Hauses korrespondieren in völlig übereinstimmender Weise mit dem noch stehenden westlichen Teil des Gebäudes. Auch hier gibt es die massiven Mauern des Erdgeschosses, die eine annähernd gleiche Stärke wie in dem untergegangenen Bau haben. Allerdings konnten die Bauaufnahme und die archäologische Grabung klären, dass im Erdgeschoß ab 1518 eine dreischiffige Halle mit drei fast gleichbreiten Schiffen, unterteilt durch zwei hölzerne Stützenreihen, vorhanden war. Schon im Zusammenhang mit den Umbaumaßnahmen von 1586 wurde diese Halle in den noch heute, nach Beseitigung von später eingebauten Wänden, erkennbaren Einsäulensaal umgewandelt. Dabei wurde auch die nord-südlich verlaufende Wand eingestellt. Die ursprüngliche Länge des dreischiffigen Saales kann somit nur vermutet werden, da die Räume im Erdgeschoß auf den Plänen des Hochbauamtes auch einem Umbau aus späterer Zeit angehören können. Diese Unsicherheit besteht in den Obergeschossen nicht. In beiden Teilen des Gebäudes erscheint hier der Mittelflur, den die Bauaufnahme im Westteil als ältesten Baubestand von 1518 erweist. Auch die Anlage der Kammern, beiderseits des langen, das ganze Gebäude durchziehenden Flures, deren Zuschnitt in späterer Zeit verändert wurde, dürfte weitgehend auf die älteste Zeit zurückgehen.
Betrachtet man somit den bestehenden und den untergegangenen Teil des Hauses zusammen als eine Einheit, die erst bei der Parzellierung 1809 zerstört wurde, fällt die nur über den Treppenturm gegebene Erschließung des Gebäudes auf. Nur hier führt eine Treppe zu den Obergeschossen. Die zum Hof führende Treppe im erhaltenen Westteil wurde erst nach der Parzellierung von 1809 eingebaut. Waren die Obergeschosse und die darüber liegenden Fruchtspeicher nur über den Treppenturm zu erreichen, so gelangte man in das Erdgeschoß nur von der Durchfahrt oder vom Hof. Ein weiterer Eingang von der Straße ist nach den vorhandenen Plänen und Befunden nicht nachzuweisen. Die Obergeschosse waren also vom Erdgeschoß strikt getrennt, was auch eine funktionale Trennung vermuten lässt. Damit kommen wir zur mutmaßlichen Nutzung des Gebäudes durch seine Bewohner, worunter zuerst einmal alle Insassen des Höchster Antoniterhauses zu rechnen sind.
Über diese sind wir durch die erhaltenen Urkunden, aber auch durch Vergleiche mit den anderen Antoniterhäusern gut unterrichtet. Neben dem gewiss zahlreichen Gesinde sind es drei privilegierte Gruppen, die wir als Bewohner des Neubaus von 1518 vermuten dürfen: Erstens der Präzeptor und die Konventualen. Sie dürfen nicht mit armen und bedürfnislosen Mönchen verwechselt werden. Als vornehme Chorherren lebten sie nach der Augustinerregel, die ihnen persönliches Eigentum und einen manchmal luxuriös zu nennenden Lebensstil gestattete. Ihre Höchstzahl im Höchster Konvent war fünfzehn, man wird deshalb mit ebenso viel einzelnen Räumen, dazu wenigstens einem Raum für gemeinsame Treffen rechnen müssen. Die Antoniterchorherren betreuten die Kranken in ihren Hospitälern nur mit geistlichem Beistand, die medizinische Versorgung war angestellten Ärzten und Pflegern überlassen. Die Hauptaufgabe der Antoniter bestand in der Hospitalträgerschaft, bei der noch die ursprüngliche Verfassung als Hospitalbruderschaft nachklang, und in der Bereitstellung der für den Krankendienst notwendigen Finanzmittel.
Die zweite Gruppe waren die Kranken, die vom Ergotismus oder der Mutterkornvergiftung Befallenen. Wir kennen den Krankheitsverlauf in den Formen des „heißen Feuers” und des „kalten Feuers” aus zahlreichen Beschreibungen. Wenn die Leidenden nicht vom frühen Tod erlöst wurden, war die Verkrüppelung durch Absterben der Gliedmaßen eine verbreitete Folge. Diese Krüppel fanden lebenslange Aufnahme und Versorgung im Antoniterhaus. Zu ihnen dürfte auch das im Höchster Gerichtsbuch 1486 genannte im Antoniterhaus lebende „Hänschen mit der einen Hand” gehören. Die Hilfe für die oft schwer verkrüppelten und völlig hilflosen Menschen war der eigentliche Daseinszweck des Antoniterordens. Letztlich war alle Tätigkeit der Antoniter auf den Kranken ausgerichtet, auch wenn dieser hohe Anspruch in der Spätzeit des Ordens ab dem ausgehenden 15. Jahrhundert nicht mehr überall aufrechterhalten werden konnte. Die hohe Wertschätzung der Kranken aus der Sicht des christlichen Glaubens kommt in dem Begriff „martyres”, mit dem sie benannt wurden, zum Ausdruck.
In ursprünglich großer Nähe zu den Kranken stand die dritte Gruppe der Pfründner, Klosterinsassen, die den Bewohnern eines gehobenen Altenheims vergleichbar waren. Sie hatten sich durch Genesung von den zeitlebens hilfsbedürftigen Langzeitkranken getrennt. Im 15. Jahrhundert traten sie auch als Gesunde gegen Übertragung eines beträchtlichen Teils ihres Vermögens ins Antoniterkloster ein und trugen durch ihre Einlage zur Finanzierung des Klosters und des aufwendigen Hospitalbetriebes bei.
Alle drei Gruppen begegnen uns namentlich bekannt seit der Übersiedlung des Konvents von Roßdorf bei Hanau nach Höchst 1441 auch im dortigen Haus. Ihrer Unterbringung galt der von Generalpräzeptor Heinrich Meyersbach von 1515 bis 1518 aufgeführte Bau. Versucht man nun, diesen Neubau in den Gesamtkomplex der 1518 bestehenden Klosteranlage einzuordnen, so stößt man auf die Schwierigkeit, dass außer dem Bestandsplan von 1805, aus der allerletzten Zeit des Konvents, keinerlei Beschreibungen oder Pläne vorliegen, die eine gültige Rekonstruktion der Klosteranlage für das frühe 16. Jahrhundert zulassen. Manche Bauten, von denen wir wissen, oder die in ihren Resten noch erkennbar sind, wie zum Beispiel der große Brau- und / oder Weinkeller unter dem modernen Wohnhaus Badstubengasse 3, sind bislang nicht datiert. Andere, wie die erst 1966 abgerissene Zehntscheune und der östliche Teil des schon 1891 niedergelegten alten Pfarrhauses, sind, nach dem Aufbau ihres Fachwerks zu urteilen, erkennbar erst nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges errichtet worden. Da das 1805 als „Neuer Bau” bezeichnete Steingebäude erst 1586 erbaut wurde, dürfen im Jahr 1518 als Wohnbauten neben dem Neubau des Präzeptors Meyersbach − bei aller Vorsicht in der Beurteilung − nur die folgenden Baulichkeiten angesprochen werden: Die Pfarrwohnung östlich der Justinuskirche, das als „vorderer Bau” im alten Propsteihof westlich der Kirche bezeichnete Gebäude und vielleicht der Bau über dem großen Keller auf dem heutigen Grundstück Badstubengasse 3. Sie boten, alt und verstreut über das ganze Klosterareal, gewiss nicht den Komfort, den die vornehmen Chorherren aus anderen Präzeptoreien, gar aus der Abtei in St. Antoine gewohnt waren. Der Neubau von 1515-1518 musste also eine weitere Funktion haben als nur die des im Diarium lapidar genannten Hospitals .
Da der Propsteihof westlich der Kirche schnell zu einem reinen Wirtschaftshof absank und die Pfarrwohnung dem - von den Antonitern gestellten − Pfarrer zustand, konzentrierten sich ab 1518 alle Wohnmöglichkeiten des Klosters im soeben fertiggestellten Neubau oder in seiner unmittelbaren Nähe. Das entsprach sowohl den Erfordernissen des Lebens der Konventualen aus der Beachtung der Augustinerchorherrenregel wie auch den Bedürfnissen der Kranken und Pfründner nach Pflege und Versorgung. Dennoch musste auch auf eine Trennung des Wohnbereichs der Antoniterchorherren von dem der Kranken und Pfründner geachtet werden. Zu unterschiedlich waren der Tagesablauf der Konventualen einerseits und der der Kranken und Pfründner, deren Tagesrhythmus sich zwar an den Ordensregeln orientierte, aber auch von den Notwendigkeiten der Krankenversorgung bestimmt war. So berichtet Jakob Rauch von der Tatsache, dass im Hause Roßdorf-Höchst täglich vier Tische mit Speise und Trank zu versorgen waren. Er versteht zu Recht darunter den Herrentisch der Konventualen, den Tisch der Kranken und den der Pfründner, die nun unter einem Dach, aus einer Küche versorgt werden konnten. Lediglich den vierten Tisch des Gesindes kann man sich auch in einem anderen Teil des Klosters, am ehesten im ehemaligen Propsteihof, vorstellen.
Die innere Aufteilung des 1518 vollendeten Klosterbaus lässt noch heute in vorzüglicher Weise erkennen, wie bei seiner Errichtung diesen funktionalen Anforderungen genügt wurde. Die große dreischiffige Halle im Erdgeschoß kann, in Anlehnung an bekannte und noch bestehende Hospitalbauten des ausstehenden Mittelalters, als der Krankensaal angesprochen werden. Auch wenn wir die genaue Anzahl der Kranken in Höchst 1518 nicht kennen, so hätten doch die im Jahr 1474 genannten sechzehn Kranken hier reichlich Platz gehabt. Insgesamt nennt das Diarium zwischen 1442 und 1534 24 „martyres” und 24 „martyrissae”. Den Kranken dürfte vor allem das Erdgeschoß vorbehalten gewesen sein, wobei offen bleiben muss, ob und wie viele kleine Räume sich ursprünglich östlich an die Halle anschlossen. Dies geht auch daraus hervor, dass das Erdgeschoß nach unseren Kenntnissen nur von der Durchfahrt oder vom Hof her zu betreten war. Eine direkte Treppenverbindung mit den Obergeschossen im Haus gab es nicht. Damit war gewährleistet, dass die Unruhe im Krankensaal, das Schreien und Stöhnen der Leidenden und von Halluzinationen Befallenen, die Ruhe der Klausur in den anderen Teilen des Hauses nicht beeinträchtigte.
Die Pfründner, im Jahr 1474 etwa sechs bis sieben, könnten die kleinen Zimmer beiderseits des langen Flurs im ersten Obergeschoß oder im Dachstock bewohnt haben. Es war ihnen, wie auch den Kranken, durchaus gestattet, ihre Ehegefährten auf Dauer bei sich im Kloster zu haben. Nach dem Befund im erhaltenen Teil des Hauses und den Plänen von 1896 im untergegangenen Teil können etwa 34 Einzelraume in den beiden Obergeschossen angenommen werden, genügend für die bekannte Höchstzahl von fünfzehn Konentualen und sechs bis zehn Pfründnern. Auch wenn man dem vornehmen Generalpräzeptor einen höheren Raumbedarf zugesteht und einige Gemeinschaftsräume annimmt, war der neue Bau für alle Bewohner. Konventuale, Kranke und Pfründner, genügend groß bemessen. Dies umso mehr, als nach 1500 die Zahl der Konventualen die zehn nicht mehr überschritt. Größere Gemeinschaftsräume wie bei den klassischen Mönchsorden, Dormitorium, Refektorium, Kapitalsaal oder Parlatorium, benötigten die einzeln lebenden Antoniterchorherren ohnehin nicht. Der erwähnte Herrentisch für zehn bis fünfzehn Personen aber fand bequem in einem der vielen Räume des Hauses Platz. Auch das im Vergleich zu den Kranken engere Zusammenleben von Konventualen und Pfründnern dürfte kein Problem dargestellt haben. Letztere lebten zwar, ohne das Ordensgelübde der Chorherren abzulegen, als Privatleute im Kloster, glichen aber durch Vereinbarungen ihren Tagesablauf weitgehend dem der Koventualen an. Somit kann der Neubau von 1515-1518, an der Stelle des alten Baumannshofes, als der Hauptbau des Antoniterklosters, natürlich zusammen mit der erweiterten Justinuskirche, bezeichnet werden, Wohnkloster und Hospital zugleich. Alle anderen Bauten in dem ausgedehnten Klosterareal dienten nachgeordneten Funktionen (Schule, Pfarrhaus) oder waren reine Wirtschaftsbauten.
Markiert der Konvents- und Hospitalbau von 1518 den Höhepunkt in der baulichen Entwicklung des Höchster Antoniterklosters seit dem Umzug von 1441, so folgte unmittelbar nach der Fertigstellung der rasche Niedergang von Konvent und Hospitaldienst. Die Gründe dafür sind vielschichtig und können hier nicht im Einzelnen dargelegt werden. Der Orden hatte den Höhepunkt seiner Entwicklung überschritten, die Ergotismusepidemien gingen zurück. Die sich ausbreitende Reformation behinderte die Sammelfahrten der Antoniter, die noch durch Verbote der Päpste, die nach 1512 Gelder für den Bau des Petersdomes benötigten, zusätzlich erschwert wurden. Schwere finanzielle Einbußen waren die Folge, die auf Dauer das Leben der Klostergemeinschaft empfindlich beeinträchtigten. 1534 war eines der kritischsten Jahre für die Klostergemeinschaft und es bezeichnet die Zäsur im Dasein der Höchster Antoniter. Das Diarium meldet das Jahr als dasjenige „do der quest” (die Almosensammlungen, d. Verf.) niedergelegt war. Der Nachfolger des Hospitalerbauers Heinrich Meyersbach, Johannes Morntner (15201535), beklagt sich im gleichen Jahr, „Es sei ihm unmöglich den alten Gebrauch mit den jetzigen Einkommen zu behalten muss spärlich aus der Küchen abspeisen werde darum zeitig genannt Erbitte sich Rechnung zu tun dem Konvent und geben soweit es reicht”.
Folgerichtig wird im gleichen Jahr mit Henricus Martyr letztmalig ein Kranker genannt. Es ist zu vermuten, dass mit dem Ende der Amtszeit Johannes Morntners spätestens 1535 der Hospitaldienst eingestellt wurde.
Die von außen verursachte Verringerung der Einkünfte, des trotz allem immer noch reichen Höchster Antoniterklosters, führte bald auch zum inneren Verfall. Die ohnehin großzügige Augustinerregel wurde kaum mehr beachtet. Das Vermögen wurde verschleudert, Konkubinen bewohnten Tür an Tür mit den Chorherren die Klausur.
1575 war der Konvent auf gerade noch zwei Mitglieder zusammengeschmolzen, die Pest von 1582 ließ ein Anwachsen der Klostergemeinschaft kaum zu. Zustände wie die von 1595, als Bruder Lorenz Hack den Generalpräzeptor Georg von Lyskirchen so zusammenschlug, dass er sechs Wochen bettlägerig war, waren auch nicht geeignet, Novizen für das Klosterleben in Höchst zu begeistern. Der Konvent war ausschließlich mit seinen eigenen Querelen, nicht aber mit den in den Ordensstatuten festgelegten Zielen der Antoniter beschäftigt. Die lange Amtszeit des aus dem Kölner Antoniterhaus gekommenen Georg von Lyskirchen (1576-1612) stabilisierte zwar die Lage des Höchster Antoniterkonvents dadurch ein wenig, dass er seinen weiterhin hohen Ausgaben neue Einnahmen gegenüberstellte. Zugleich entfernte er sich mit seinen Maßnahmen, die auch den Um- und Ausbau der Klostergebäude mit einschlossen, weiter denn je von den ursprünglichen Zielen des Antoniterordens.
Der für 1586 belegte Neubau des Konvents, unmittelbar östlich an den Bau von 1518 anschließend, wurde schon genannt. Für 1589 ± acht sind am „Neuen Bau” Bauarbeiten auch dendrochronologisch bezeugt. Sie haben durch die damit einhergehende Nutzungsänderung der Klostergebäude auch Auswirkungen auf den „Alten Bau” von 1515 gehabt. Die dreischiffige Halle wird im Zuge dieser Baumaßnahmen zu dem Einsäulensaal umgewandelt worden sein. Für den Hospitaldienst wurde sie längst nicht mehr benötigt. Die Baumaßnahmen zogen sich offensichtlich bis in die letzten Jahre der Amtszeit Georgs von Lyskirchen hin. Für 1609/10 berichtet das „Diarium Claustraria” gebaut 1609/1610 soll kosten 1500 fl.”. Im Jahr 1610 werden für Kalk und Sand 560 fl., für „Fenster, Tür, Ofen, Schloßwerk auch an 250 fl. gerechnet”.
Das Ziel dieser Umbauten war nicht nur, mehr Raum für den dem Luxus nicht abgeneigten Generalpräzeptor zu schaffen. Offensichtlich nutzte man nun, in den Friedensjahren vor dem Dreißigjährigen Krieg, da die Stadt Höchst einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, die leerstehenden Räume im Kloster als Einnahmequelle. Nach dem Umbau sind 1610 wieder Pfründner im Kloster belegt, nun aber nicht als Stifter zur Unterstützung des Hospitaldienstes sondern als schiere Einnahmequelle. Für die enorme Summe von 1000 fl. konnte sich damals ein Ehepaar im Alter in das Kloster regelrecht einkaufen. Damit hatte sich innerhalb von knapp einhundert Jahren der Daseinszweck der Antoniter in sein Gegenteil verkehrt. Aus einem im Geist der Nächstenliebe dem Dienst an unheilbar Kranken verpflichteten Hospitalorden war ein kommerzielles Unternehmen der Altenfürsorge geworden.
Dr. Wolfgang Metternich
In der Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Vereins für Geschichte und Altertumskunde, Frankfurt am Main - Höchst.